»Das Sonnenlicht besteht aus vielen einzelnen Lichtstrahlen, die sich wellenartig ausbreiten.« Frau Wala bewegte ihre Hand schlangenförmig auf und ab. »Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wellenbergen ist die Wellenlänge.« Sie führte ihre Hand in einer ausladenden Bewegung auf und ab. »Welche Farbe wir sehen, hängt von der Wellenlänge ab. Blaues Licht hat eine kurze Wellenlänge, rotes Licht eine lange. Wenn wir gleichzeitig Licht aller Wellenlängen sehen, erscheint es uns weiß. Sobald das Licht aber zum Beispiel in einem bestimmten Winkel auf einen Wassertropfen trifft, werden die Lichtstrahlen verschiedener Wellenlängen voneinander getrennt und wir sehen die sogenannten Spektralfarben: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett.«
»Wie bei einem Regenbogen«, fiel Lukas ein, doch Frau Wala fuhr unbeirrt fort: »Tagsüber steht die Sonne hoch am Himmel und der Weg des Lichts durch die Gashülle um die Erde, die Atmosphäre, ist kurz. Die Lichtstrahlen treffen auf Luftteilchen wie Stickstoff oder Sauerstoff und werden von ihnen abgelenkt. Diesen Vorgang nennt man Streuung. Da das blaue Licht von den Luftteilchen am stärksten gestreut wird, erscheinen uns der Himmel blau und die Sonne gelb. Ohne die Luft wäre der Himmel schwarz und wir sähen die Sonne als weiße Scheibe.« Sie deutete in den Himmel, führte ihre Hand langsam nach unten und ließ die Sonne sinken. Als sie den Horizont berührte, wurde die Kuppel in ein strahlendes Rot getaucht.
»Das rote Licht wird nicht so stark gestreut wie das blaue«, rief Lukas. »Das heißt, es durchdringt die Luft fast ungehindert. Wenn am Abend die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, hat das Licht einen längeren Weg durch die Lufthülle der Erde. Das blaue Licht wird auf diesem Weg zu einem großen Teil weggestreut, sodass wir vor allem rotes Licht sehen.«
»Danke, Lukas«, antwortete Frau Wala. »Das war eine sehr schöne Erklärung für das Abendrot.«
Viola zischte: »Klugscheißer! Du nervst!«
»Du nervst selbst!«, flüsterte Lukas, damit Viola es nicht hörte. Nicht leise genug. Verärgert kniff sie die Augen zusammen und rückte an ihn heran. Sie zwickte, zog und schubste ihn, aber er wehrte sich nicht, sondern duckte sich nur weg.
Frau Wala schnippte mit den Fingern. Die Sonne verschwand. Mond und Sterne leuchteten auf. In der Mitte des Sitzkreises erschien ein Lagerfeuer.
»Eine Verbrennung ist ein chemischer Vorgang«, erläuterte sie. »Ein brennbarer Stoff wie Holz zersetzt sich unter der Hitze und die sich entwickelnden Gase reagieren mit dem Sauerstoff der Luft. Dabei werden Wärme und Licht abgegeben. Außerdem entstehen Kohlendioxid und andere Gase. Übrig bleibt nur Asche. Sie besteht aus den nicht brennbaren Mineralstoffen.«
Felix achtete nicht mehr auf den Unterricht, sondern beobachtete, wie Viola Lukas ärgerte. Der goldene Stift fiel ihm ein. Würde er bei Viola ebenfalls wirken? Unauffällig schob sich Felix hinter sie und hielt den Stift an ihren Rücken. »Vertragt euch!«, wünschte er sich und schloss die Augen.
Beitragsbild: Sonnenuntergang von Myriam Zilles auf Pixabay