Lokis Plan

Draußen, neben Zoes Fenster, stand Loki und lauschte. Das platinblonde Haar klebte nass auf seiner Haut. Regenwasser rann Stirn und Wangen herab und tropfte auf den durchnässten Mantel. Er verfluchte Selket. Wäre sie nicht dazwischengegangen, hätte er das Mädchen zu fassen bekommen. Dann müsste er jetzt nicht im Regen stehen und sich die alten Geschichten anhören. So wie der Rabe sie schilderte, war es überhaupt nicht gewesen. Immer verdrehten alle die Tatsachen, stellten ihn in einem schlechten Licht dar, nur weil er zum Teil Riese war. Nie behandelten sie ihn wie ihresgleichen.
Das würde sich ändern, sobald er den Aitialith besäße. Das Mädchen hatte ihn nicht den Moiren gegeben. Er hatte die drei Schwestern befragt, vorsichtig, damit sie nicht misstrauisch wurden. Wenn sie ihn nicht belogen hatten, musste der Stein noch in Zoes Besitz sein. Mit der Macht der Allwissenheit wäre er allen Asen überlegen. Dann mussten sie zu ihm aufschauen.
Munin war vor geraumer Zeit verstummt. Loki beugte sich durch das Fenster. Die Raben schliefen auf einem Kissen neben dem Bett. Die Gelegenheit war günstig. Leise stieg er hinein, trat ans Bett und griff nach Zoe.

Loki finds Gullveigs Heart (1911) von John Bauer (1882-1918)

Beitragsbild: Loki’s flight to Jötunheim von W.G. Collingwood (1854 – 1932)

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